
Einstieg in den Ausdauersport für Frauen und Männer
Wie fängt man am besten mit dem Ausdauersport an? Welche Herausforderungen gibt es und wie unterscheidet sich das Training bei Frauen und Männern? Darüber haben wir mit Athletin und Triathlon-Coach Imke Oelerich gesprochen.

Imke Oelerich ist erfolgreiche Triathlon-Athletin und Sportwissenschaftlerin. Ihre Leidenschaft für den Ausdauersport gibt sie als Personal Coach bei Strongerlab weiter. Ein besonderers Augenmerk ihrer Arbeit liegt auf der weiblichen Physiologie und allen Themen im Zusammenhang mit Hormonen, Frauen und der Bedeutung von Ernährung.
1. Welche Hürden oder Ängste kennst Du aus Deiner Erfahrung als Trainerin von Menschen, die mit Ausdauersport starten möchten?

Viele, die gar nichts mit Sport zu tun haben und dann die Bilder von außergewöhnlichen Wettkämpfen im Fernsehen sehen, so wie zum Beispiel den Ironman Hawaii oder beim Stichwort Laufen sofort an Marathon denken, dann ist das natürlich wie eine ganz, ganz große Wand. Daraus folgen dann Gedanken wie: „Oh Gott, das kann ich sowie nicht schaffen!“
Der erste Schritt, um ein anderes Bild vom Ausdauersport zu bekommen, ist dann erstmal nur reine Information. Wie fange ich an mit Ausdauersport? Was sind die Grundvoraussetzungen? Wie gesund muss ich sein? Welches Equipment benötige ich?
Als Trainerin ist es dann eine wichtige Aufgabe, sich in Menschen hineinzuversetzen, die vielleicht noch nie etwas mit Sport zu tun hatten. Denn ganz viele Punkte, die für uns Experten selbstverständlich sind, sind für die meisten Menschen genau das Gegenteil. Die Divise sollte lauten: Klein anfangen! Ein paar Sportschuhe, ein Shirt und eine kurze Funktionshose können schon vollkommen ausreichen, um mal das Laufen auszuprobieren. Generell ist das Thema Gesundheit ganz besonders wichtig und wenn man regelmäßig Sport treibt (oder treiben möchte), sollte man sich von einem Arzt durchchecken lassen. Eine Empfehlung, die ich außerdem noch habe: Einfach mal mit Bekannten sprechen, die vielleicht schon ein wenig Erfahrung haben. Dann wird man wahrscheinlich schnell merken, dass man es gerade als Neu-Sportler langsam angehen sollte und nicht direkt mit 30 Minuten Laufen anfangen sollte. Es kann schnell abschreckend oder demotivierend sein, wenn man mit der falschen Erwartungshaltung startet.
2. Muss es immer „höher, schneller, weiter“ sein, so wie es unsere Gesellschaft scheinbar oftmals verlangt, oder welchen Ansatz verfolgst Du mit Sportler, die den Einstieg schaffen wollen?

In aller erster Linie soll Sport Spaß machen. Denn das was uns Spaß macht, das entwickeln wir auch gerne weiter.
Es muss also nicht immer schneller, höher, weiter sein – aber trotzdem tut es gut, wenn wir uns Aufgaben vornehmen, an denen wir wachsen können. Das gilt übrigens nicht nur für den Sport, sondern auch fürs Studium, den Job oder andere Bereiche. Sich Herausforderungen zu stellen, gibt den meisten Menschen eine große Zufriedenheit. Deshalb finde ich es wichtig, dass auch Anfänger gewisse Ziele verfolgen, die auch ganz klar besprochen werden. Ein solches Ziel sollte auch terminiert werden, sodass ein Entwicklungsprozess stattfinden kann, der wiederum Spaß machen und motivieren kann.
3. Du hast Dich vor allem auf dem Gebiet der Sportwissenschaften in Zusammenhang mit dem weiblichen Körper weitergebildet und bist dort eine echte Expertin. Welchen Dingen schenkst Du besondere Aufmerksamkeit, wenn Du mit Athletinnen und Sportlerinnen zusammenarbeitest?

Bei Frauen spielen die hormonellen Schwankungen eine viel größere Rolle als bei den Männern, diese sollte man sich also etwas genauer anschauen. Als Trainer ist es wichtig zu wissen, welche Auswirkungen diese hormonellen Schwankungen auf den weiblichen Körper haben können – nicht nur physisch, sondern auch auf die Psyche.
Bei Frauen ergeben sich dann Phase, in denen sie hoch intensiv trainieren können, wo sie besser regenerieren und sich mental sehr stark fühlen. Das ist oftmals die erste Zyklusphase. In der zweiten Zyklushälfte können Frauen, durch die hormonelle Begünstigung, sehr gut an der Fettverbrennung arbeiten, was für Ausdauersportler eine wichtige Fähigkeit ist. In dieser Phase wäre das Training dann eher länger und ruhiger. Insgesamt ist das Thema wirklich sehr komplex, denn auch die Ernährung spielt dann eine wichtige Rolle, die entsprechend auf die Trainingsbelastung mit bedacht werden sollte. Es geht dann nicht nur um die richtige Ernährung und Versorgung mit Nährstoff vor und nach dem Training, sondern auch währenddessen. In der zweiten Zyklusphase kommt bei vielen Frauen oftmals ein Gefühl von Unwohlsein auf, dann ist es wichtig auch emotional Zuspruch und Unterstützung zu bekommen – das sehe ich dann auch als eine Aufgabe von mir als Trainerin. Manchmal ist es dann zum Beispiel besser, keine allzu spezifischen Vorgaben oder Zielwerte für das Training zu geben, sondern den Fokus aufs Körpergefühl zu legen und mehr in sich hineinzuhorchen und darüber die Belastung zu steuern.
4. Hast Du ein paar Tipps auf Lager, die sich Frauen zu Nutze machen können, wenn sie einen sportlicheren Lifestyle einschlagen wollen und bisher nicht den richtigen Drive gefunden haben?

Der Schlüssel ist oft das Selbstbewusstsein!
Frauen sind in vielen Fällen selbst ihr größter Kritiker und schauen viel zu sehr darauf, was vielleicht andere Menschen über sie denken oder davon halten, was die gerade tun. Kommentare von außen werden dann schnell auf die Goldwaage gelegt. Eine wichtige Frage, die man sich generell stellen sollte und dann immer wieder ins Gedächtnis rufen kann: Warum will ich das mit dem Sport? Was ist meine Intention? Meistens sind die Antworten darauf dann Motivation genug, um am Ball zu bleiben. Natürlich können in solchen Situationen auch Trainer oder Freunde und Familie eine Stütze sein, um am Ball zu bleiben und den gewünschten Weg nicht nur einzuschlagen, sondern auch weiter zu verfolgen.
5. Man hört immer wieder, dass man sich als Sportler Ziele stecken soll, um motiviert zu bleiben. Wenn ich bisher noch keine sportlichen Erfahrungen habe, kann es mitunter schwerfallen, ein solches Ziel zu definieren. Was würdest Du empfehlen, um das individuell richtige Ziel zu finden?
Ein Ziel sollte SMART sein. Das S steht für spezifisch: Das Ziel sollte klar und deutlich formuliert sein, zum Beispiel 30 Minuten am Stück laufen zu können oder 10 Kilometer zu schaffen. Das M steht für messbar: Auch hier würden die genannten Beispiele erstmal zutreffen. A steht für attraktiv: Das Ziel sollte für einen selbst so sein, dass man wirklich Lust und Motivation verspürt, es erreichen zu wollen! R steht für realistisch: Das Ziel sollte nicht zu Überforderung oder Abschreckung führen, es sollte machbar erscheinen. Und das T steht für Termin: Wann soll das Ziel erreicht werden, wann ist Tag X? Es kann natürlich auch hilfreich sein und Sinn machen, sich einen Trainer oder einen Begleiter zu suchen, der einem dabei hilft und zur Seite steht, um am Ende sein Vorhaben erfolgreich zu bewältigen und auch langfristig Spaß am Sport zu haben.
6. Muss Sport eigentlich immer Spaß machen? Darf Training auch mal sausen lassen oder man immer stärker sein als sein innerer Schweinehund?
Natürlich ist es so, dass es Trainingseinheiten gibt, die währenddessen nicht besonders viel Spaß machen, weil sie besonders anstrengend sind oder weil das Wetter mies ist zum Beispiel. Aber danach ist das Gefühl umso besser, wenn man es geschafft und durchgezogen hat. Man ist wesentlich zufriedener und hadert nicht so viel mit sich. Nichtsdestotrotz sollte natürlich der Spaß ein sehr wichtiger Faktor sein und wenn er über längere Zeit ausbleibt, dann sollte man versuchen herauszufinden woran das liegen könnte. Habe ich mich vielleicht in den letzten Wochen überanstrengt? Bin ich mental müde und erschöpft? Ich selbst habe für meine Athleten eine 10-Minuten-Regel: Wenn man wirklich überhaupt keine Lust hat, dann soll man zumindest mit dem Training beginnen. Wenn es nach zehn Minuten immer noch genau so ist, dass man diese Unlust verspürt, dann dreht man um und kehrt nach Hause zurück, legt die Füße hoch und ruht sich aus. Oft ist es aber so, dass man nach wenigen Minuten feststellt, dass es eigentlich ganz guttut, draußen und unterwegs zu sein. Eine Ausnahme gibt es natürlich: Wenn man sich krank fühlt oder es Anzeichen einer Erkältung gibt, dann sollte man auf jeden Fall zuhause bleiben!