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Ausgabe 03/2020
Familie 03/2020
Pubertät_Seifenblasen
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Miteinander statt gegeneinander – wie Sie Ihre Kinder durch die Pubertät begleiten

„Das ist so ungerecht! Immer sind alle gegen mich!“ Eine Reaktion, die Eltern von Teenagern nur zu gut kennen. Egal ob man seinen jugendlichen Nachwuchs gebeten hat, die Wäsche mit in sein Zimmer zu nehmen oder die Musik etwas leiser zu drehen – am Ende fragt man sich als Mutter oder Vater, was das Kind zum Explodieren gebracht hat. Die erfahrene Pädagogin Inke Hummel hat Antworten darauf und weiß, wie Sie auch in dieser herausfordernden Zeit (übrigens für beide Seiten) den Kontakt zu Ihrem Kind nicht verlieren.

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Inke Hummel ist Pädagogin und Inhaberin der Familienbegleitung „sAchtsam Hummel“, Leiterin für Eltern-Kind-Kurse und Bloggerin. Besonders häufig begleitet sie Eltern gefühlsstarker Kinder und verhilft ihnen zu einer gelingenden Eltern-Kind-Bindung. Inke Hummel ist Mutter von drei Teenagern.
© privat

Kennen Sie auch den Satz „Es ist alles nur eine Phase“? Mit dieser und ähnlichen Aussagen trösten sich Eltern großer wie kleiner Kinder, um die anstrengenden Zeiten im Leben mit Kindern möglichst gelassen zu überstehen. Während für die bindungsorientierte Erziehung im Baby- und Kindesalter reihenweise Ratgeber für Eltern erhältlich sind, wird es beim Thema Pubertät dünn. Und das, obwohl diese herausfordernde Zeit Familien über Jahre beschäftigt. Zum Glück gibt es jetzt ein Buch zur Entwicklungsphase mit dem schlechtesten Ruf. Völlig zu Unrecht übrigens, wie Autorin Inke Hummel findet. Wir haben ein Interview mit ihr darüber geführt, wie Eltern und Kind selbst in den stürmischen Zeiten der Pubertät in Verbindung bleiben.

Mobil-e: Der dänische Familientherapeut Jesper Juul sagte einmal in einem Interview, „Pubertät ist Payback-Zeit“. Übersetzt: Bis hierhin und nicht weiter konnte man seinem Kind Liebe, Beziehung und auch Erziehung mitgeben und jetzt ernten wir, was wir zehn bis zwölf Jahre lang gesät haben. Das klingt erst mal, als könnte man nur noch hilflos zusehen, wie die Kinder mal besser und mal schlechter durchs Leben pubertieren. Frau Hummel, Sie beschäftigen sich seit rund 20 Jahren mit dem Thema Pubertät – ist das tatsächlich so?

Inke Hummel: Das ist einer der Gründe, weshalb ich empfehle, das Buch am besten schon am Ende der Grundschulzeit zu lesen. Das Thema Beziehungsorientierung ist für mich eine Art Prophylaxe. Wenn ich mit meinem Nachwuchs schon im Kindesalter gut in Konflikte gehen kann, das bedeutet, dass mein Kind angstfrei zu mir kommt, wenn Dinge falsch gelaufen sind, dann ist der Grundstein gelegt. Da bin ich auf Juuls Seite. Denn die intensive und vertrauensvolle Bindung muss in den ersten Jahren entstehen. Aber es gibt natürlich bestimmte Rituale oder Blickrichtungen, die ich als Mutter oder Vater auch in der Jugendzeit noch setzen kann. Ich stehe nicht hilflos daneben, sondern habe immer noch eine aktive Rolle, aber eben eine andere. Anstelle eines kleinen Kindes steht mir ein Jugendlicher (fast) auf Augenhöhe gegenüber. 

Die intensive und vertrauensvolle Bindung muss in den ersten Jahren entstehen.

Inke Hummel

Mobil-e: Der Untertitel Ihres Buches ist „Weniger Streiten“ – ein Versprechen, das den meisten Teenie-Eltern gefallen sollte. Verraten Sie uns: Ist es das berühmte „Ommm, das wird schon“-Denken, wenn das Pubertier mal wieder ausflippt?

Inke Hummel: Dieser Teil des Untertitels war mir besonders wichtig. Es gibt viele Ratgeber und Artikel, die „Nie wieder Streit“ und „Ohne streiten“ versprechen. Aber das wollte ich nicht auf meinem Buch stehen haben, denn das ist nicht das Ziel meines Buches. Das Ziel ist es, gut zu streiten. Und dabei zu sehen, wann lohnt sich ein Streit überhaupt? Es gibt Bereiche, bei denen würde ich vielleicht mit meinem Kleinkind noch streiten, aber bei einem Jugendlichen muss man manchmal einfach lockerlassen. Der muss seinen Weg selbst finden und auch seine Fehler selber machen – nur so kann er selbstständig werden.

Mobil-e: Was heißt denn gutes Streiten?

Inke Hummel: Gut zu streiten ist für mich, dass ich mir als Elternteil meine Kämpfe aussuche. Ich muss gucken, wo ist es überhaupt wichtig, dass ich in den Konflikt gehe, und wo lasse ich es. Das andere ist, dass ich keine Schuld suche. Mein Ansatz ist es nicht zu gucken, wer an einer Situation der Schuldige ist, sondern wie es so weit gekommen ist und welchen Weg wir gehen können, damit es in Zukunft nicht wieder passiert. Das vermittele ich auch in meinem Buch: Es geht mir um das lösungsorientierte Streiten. Dazu zeige ich im Buch ganz konkrete Hilfestellungen auf. Zum Beispiel, mit welchen Sätzen ich mit meinem Teenager in den Austausch gehen kann. Dabei müssen meine Vorschläge natürlich nicht eins zu eins übernommen werden, aber vielen Eltern hilft es, einen ersten Ansatzpunkt für das anstehende Eltern-Kind-Gespräch zu haben.

Mobil-e: Es gibt Eltern, die sehr bedauern und große Schwierigkeiten damit haben, dass die ehemals enge Bindung zum Kind plötzlich nicht mehr existent zu sein scheint. Was raten Sie diesen Müttern und Vätern?

Inke Hummel: Ich rate diesen Eltern etwas, das ich gerne als „aktives Annehmen“ beschreibe. Es bedeutet, dass man in solchen Momenten darauf vertraut, dass man in den vergangenen Jahren eine gute Basis gelegt hat. Diese Bindung wird wiederkommen, aber jetzt ist eben die Zeit, um ein bisschen loszulassen. Meist sind das allerdings nur Momentaufnahmen, die meisten Eltern stehen nach wie vor in engem Kontakt mit ihrem Kind. Auch wenn es sich nicht immer zeigt. Man sollte nicht frustriert sein, sondern versuchen sich umzuorientieren und mit dem Teenie zu wachsen. „Wofür interessiert sich mein Kind jetzt?“ ist zum Beispiel eine Frage, die man sich stellen kann – vielleicht findet man da wieder einen neuen Anknüpfungspunkt. Hier sollte man als Eltern übrigens auch tolerant sein und nichts überbewerten. Gerade wenn der Jugendliche sich einmal ablehnend verhält, dann ist das oft gar nicht böse gemeint, sondern er ist vielleicht einfach gerade sehr mit sich beschäftigt. Warten Sie ab und versuchen Sie es zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal.

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Miteinander durch die Pubertät bedeutet auch Konflikte mit dem Teenager führen. Autorin Inke Hummel schreibt, dass es wichtig ist, Jugendlichen zu zeigen, wie man sich lösungsorientiert mit Problemen und Konflikten auseinandersetzt.
© humboldt Verlag

Mobil-e: Ein sehr schöner Satz in Ihrem Buch ist: „Ihre Denkfähigkeiten werden andere und gehen dabei durch chaotische Phasen – sie verstehen sich oft selbst nicht.“ Was hilft den Teenagern in solchen Momenten? Gemeinsam ein Eis oder Vorlesen wie noch zur Grundschul- und Kitazeit ist es ja wahrscheinlich nicht mehr.

Inke Hummel: Wenn ich merke, dass mein Kind gerade komplett verloren ist, würde ich versuchen ihm Angebote für eine gemeinsame Zeit zu machen. Ich mache das so, dass ich gucke, dass ich eine Autofahrt mit dem betreffenden Kind alleine habe, oder ich überzeuge es, mit mir zu Fuß zum Einkaufen zu laufen. Das ist dann geschenkte Zeit, in der niemand anderes stört und die man als Elternteil nutzen kann, um wieder an das Kind heranzukommen. Fällt es mir selbst schwer, ein Gespräch zu führen, hilft es für das Kind, gemeinsame Zeit mit einer anderen Vertrauensperson zu initiieren. Das kann zum Beispiel die Patentante sein oder bei uns ist es der Opa. Je nach Thema würde ich vielleicht auch versuchen an einen Freund oder eine Freundin des Kindes ranzukommen, um einen Zugang zu finden. Eine andere Variante ist, meinem Kind ein kleines Briefchen als Kontaktaufnahme zu schreiben. So hat es meine Mutter mit mir damals gemacht. Das hat mir die Gelegenheit gegeben, in aller Ruhe nachzudenken und dann zu antworten, wenn mir danach war. Wirklich gut an dieser Methode ist es auch, dass das Kind immer weiß: „Da ist eine Tür, die steht mir offen, egal ob ich jetzt darüber reden möchte oder in zwei Wochen.“ Wichtig ist es, ein Angebot aufrechtzuerhalten und dem Teenager Zeit zu geben.

Eine gute Gesprächskultur schafft Bindung.

Inke Hummel

Was braucht ein Teenager besonders, um ihn vor den Dingen zu schützen, die uns als Eltern so Angst machen? Vor Sucht, Drogen oder Gruppendruck …?

Inke Hummel: Das Wichtigste ich, glaube ich, sich einmal in Erinnerung zu rufen, dass man selbst wahrscheinlich auch nicht abgedriftet ist, obwohl man auch Dinge gemacht hat, die nicht besonders clever waren. Genauso wie es auch für uns als Jugendliche Freunde gab, die nicht die besten waren, oder ein Schuljahr, in dem die Noten nicht so besonders waren.
Wenn man als Eltern eine gute Basis gelegt hat, ist es unwahrscheinlich, dass es ganz schlimm wird. Das sagen uns übrigens auch die Entwicklungspsychologie und die Bindungsforschung. Bin ich meinem Kind bisher wertschätzend begegnet, habe ich es in seinen Talenten gestärkt, weiß es, welche (positive) Rolle es in unserer Familie einnimmt und habe ich ihm zugestanden, „nein“ zu sagen, dann habe ich eine gute Prophylaxe geschaffen. Und das gilt nicht nur für die Beziehung zu mir oder zu uns als Eltern: Ist das Kind auch außerhalb der Familie gut eingebunden? Hat es beispielsweise eine gute Beziehung zu seinem Trainer, zur Chorleiterin, ist es in der Theatergruppe der Schule engagiert, dann ist es gut vernetzt und kann auch von anderen Bindungen aufgefangen werden.
Wichtig ist, dass ich mich mit der Meinung meines Kindes auseinandersetze – auch der kritischen! Spätestens im Jugendalter sollte ich anfangen, mit ihm über Politik zu reden, über Religionen oder andere große Themen. Dabei geht es darum, mir seine Meinung und seine Argumente anzuhören und sie nicht abzutun. Wir müssen dem Kind eine eigene Meinung zugestehen. Eine gute Gesprächskultur mit dem Kind schafft auch Bindung.

Was ist der größte Fehler, den ich als Elternteil gegenüber meinem pubertierenden Kind machen kann?

Inke Hummel: Zunächst einmal, wenn die Basis gut ist, werden Fehler schnell verziehen. Das kennen wir aus der Kleinkindzeit – nur weil ich mein kleines Kind einmal angebrüllt habe, ist nicht gleich die Beziehung kaputt. Ich denke, das größte Problem ist, wenn ich meinem Kind misstraue und dann mit Strafen komme. Wenn ich versuche autoritär zu sein, dann werde ich damit in der Pubertät (und übrigens auch sonst) nichts erreichen. Am Ende werde ich mit einem solchen Verhalten meinerseits entweder das Kind kleinhalten und es dadurch in seiner Persönlichkeitsentwicklung stören oder ein Kind bekommen, das ununterbrochen rebelliert, Aggressionen zeigt und mir nicht mehr vertraut.

Wenn ich versuche autoritär zu sein, werde ich damit nichts erreichen.

Inke Hummel

Schwierig wird es auch, wenn Eltern dem Kind nichts zutrauen. Wenn der Teenie noch mit 15 überall hingefahren wird, der Vater das Praktikum organisiert und die Mutter Lehrergespräche zwar über, aber eben ohne das Kind führt.
Beide Richtungen wirken sich bei extremer Ausprägung sehr nachteilig aus.

Wenn ich jetzt ein sehr schüchternes oder auch sehr passives Kind habe, wie schubse ich mein Kind sanft an oder wie kann ich es unterstützen, wenn es völlig überfordert ist von seinen Aufgaben und Verantwortungen, die es als Teenager plötzlich hat?  

Inke Hummel: Bei schüchternen und ängstlichen Kindern, egal welchen Alters, ist es immer wichtig, kleinschrittig voranzugehen. Also erst mal zu gucken, wovor hast du genau Angst? Was könnte schlimmstenfalls passieren? Und wie wahrscheinlich ist es, dass es passiert? Durch kleine Häppchen und das Aufdröseln der Angst wird der Angst die Größe genommen. Jetzt kann gemeinsam kleinschrittig geplant werden, wie das Kind vorgehen kann. Gemeinsam wird ein Fahrplan angefertigt, wie es weitergeht, und besonders angstmachende Situationen, wie Telefonate oder persönliche Gespräche, können gemeinsam geübt werden. Mit diesem Angebot schafft man beim Kind Sicherheit. Und dann heißt es wieder loslassen und dem Kind sagen, das haben wir jetzt gemeinsam vorbereitet und jetzt ist es deine Aufgabe, das auch umzusetzen.

Stress mit dem Thema Schule scheint in der Pubertät vorprogrammiert zu sein. Gibt es einen Weg, dem vorzubeugen? Was kann ich tun, damit dieses Thema nicht irgendwann in der Familie explodiert?

Inke Hummel: Das Erste ist, dass ich mich als Elternteil aus dem Wettkampf mit anderen Eltern rausnehme. Das ständige Vergleichen führt zu nichts. Das Zweite ist, dass die meisten Erwachsenen, die ich kenne, keine glatte Schulzeit hatten. Viele hatten in der Mittelstufe einen Hänger und haben trotzdem einen guten Abschluss geschafft. Einige sind auch von der Schule gegangen und haben auf dem zweiten Bildungsweg etwas Tolles geschafft. Man sollte sich als Eltern von dem Gedanken verabschieden, dass der Schulweg eines Kindes glatt und problemlos verläuft. Es ist kein Drama, wenn mein Kind mal keine Lust auf Schule hat und das Zeugnis dementsprechend ausfällt. Man sollte gucken, dass inhaltlich keine großen Lücken entstehen. Stell ich fest, dass sich der Teenager schwertut mit einem Thema, kann ich schauen, wie sich die Lerninhalte sinnvoll mit dem Leben meines Kindes verknüpfen lassen. Es hilft den Kindern zu wissen, wofür brauch ich das jetzt oder später mal. Kommt ein Kind überhaupt nicht weiter und findet keinen Zugang, kann das Internet helfen. Es gibt zum Beispiel tolle YouTube-Kanäle für Schulstoff.

Es ist kein Drama, wenn der Teenie mal keine Lust auf Schule hat.

Inke Hummel

Was hier auch hilft, ist, wenn das Kind von Anfang an in der Schule gut eingebunden ist. Ist es in Gruppen und AGs aktiv, ist es wahrscheinlich, dass es die Schule nicht total ablehnen wird. Etwas, das ich auch erst im Rahmen meines Buches gelernt habe, ist, dass es auch bei einem schlechten Matheschüler der 9. Klasse sinnvoll ist, wenn er jüngeren Schülern Nachhilfe gibt. Zum einen wird er den Stoff der 5. und 6. Klasse noch gut beherrschen und zum anderen hilft ihm das wieder, einen Zugang zum Fach zu finden. Hinzu kommt, dass sein Selbstbild gepusht wird – „Ich kann ja doch Mathe“.

Mobil-e: Was, denken Sie, ist das größte Problem für die Jugendlichen selbst in der Pubertät?

Inke Hummel: Im Grunde ist das dieser Zwischenstatus – die Zeit zwischen Kindheit und Erwachsensein. Auf der einen Seite sendet die Gesellschaft dem Heranwachsenden unterschiedliche Signale: Oft heißt es gleichzeitig, „DAS musst du in deinem Alter schon schaffen“ und „Aber dafür bist du noch zu jung“. Und dann ist da auch dieser junge Mensch selbst, der sich ganz durcheinander fühlt, weil er seine High Heels genauso gerne mag wie seine Barbies. Hier sollte das Elternhaus unterstützten und dem Jugendlichen beide Möglichkeiten geben – klein sein, wenn er klein sein möchte, und groß sein, wenn er groß sein möchte.

 

Pubertät ist ein Leben zwischen High Heels und Barbies.

Inke Hummel

Es ist passiert, das Kind hat großen Mist gebaut – die Definition überlassen wir jetzt einmal jedem Elternteil selbst: Wie kommen Kind, Eltern und die gemeinsame Bindung, am besten gestärkt, aus dieser Situation heraus?

Inke Hummel: Im Prinzip ist das ein bisschen so, wie wir das auch bei der Konfliktlösung angesprochen haben. Zunächst sollte man, wenn der erste Schock verdaut ist, gemeinsam mit dem Kind nach der Ursache gucken und sich fragen, wie es so weit kommen konnte. Gibt es etwas, das den Teenager stört oder ihm Probleme bereitet, das geändert werden kann, damit eine solche Situation nicht mehr entsteht? Und natürlich ist es auch wichtig, mit dem Teenie zu sprechen, warum das jetzt so schlimm war, und zu schauen, wie kann er wiedergutmachen, was passiert ist: Kann er etwas reparieren, sich entschuldigen oder vielleicht hat er ja auch selbst eine Idee? Auch hier ist der Gedanke, lösungsorientiert auf das Geschehen zu gucken.

Familien mit Teenagern
Selten geht es mit Teenagern zuhause so harmonisch zu.
© gettyimages

Mobil-e: Zum Schluss noch zwei beispielhafte Situationen, die die meisten Teenieeltern so oder ähnlich schon erlebt haben:

Wir sprechen den Teenager an, ganz harmlos, zum Beispiel bitten wir ihn, seine gewaschene Wäsche mit in sein Zimmer zu nehmen, und er flippt direkt aus. Es sei alles ungerecht, immer müsse er alles machen – und schon fängt es auch in uns an zu brodeln. Wie schaffen wir es, dass die Situation jetzt nicht eskaliert?

Inke Hummel: Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es am meisten hilft, wenn ich in dem Moment ruhig bleibe und ganz offen frage, „Hey, es geht nur um diese Wäsche, was stört dich daran?“. Vielleicht hat der Vater vorher schon dreimal gesagt, dass das Kind dieses oder jenes tun soll. Das kann ich nur erfahren, wenn ich nachfrage und zuhöre. Gelingt das nicht, muss man als Elternteil aushalten, dass ein Konflikt auch mal nicht sofort gelöst werden kann. In dem Fall heißt das: die Wäsche liegen zu lassen. Beim nächsten Zusammentreffen, zum Beispiel bei der nächsten gemeinsamen Mahlzeit, kann ich die Chance nutzen, um wieder mit dem Teenie ins Gespräch zu kommen. „Was stört dich, wenn ich dich bitte, deine Wäsche hochzubringen? Können wir etwas am Ablauf ändern, so dass es für uns beide passt?“ Bei uns ist es so: Wir wohnen auf zwei Etagen und die Schmutzwäsche der Kinder kam nie unten an, weil es ihnen zu lästig war, sie immer wieder zu sammeln und herunterzutragen. Die Lösung ist, dass es jetzt oben noch einen Wäschekorb gibt. Das ist keine große Veränderung, führt aber bei allen Beteiligten zur Zufriedenheit. Zusammengefasst lässt sich sagen: In solchen Situationen hilft es, nicht auf Dingen zu bestehen, sondern gemeinsam zu gucken, was braucht ihr, was brauchen wir und wie können wir da zusammenkommen.

Mobil-e: In Ihrem Buch geht es auch um den Umgang mit den gleichaltrigen Freunden der Kinder. Auch hier kommt es immer wieder zu Situationen, die Eltern rat- und sprachlos zurücklassen. Ein Beispiel: Es klingelt und ein auf sein Handy starrender junger Mann mit einem Sixpack Bier unterm Arm verlangt nach meiner 15-jährigen Tochter. Wie reagiere ich richtig und bindungsorientiert meiner Tochter, aber auch dem Unbekannten gegenüber? Den möchte ich ja einerseits nicht verschrecken, andererseits ist mir mindestens das Sixpack ein Dorn im Auge.

Inke Hummel: Ich würde das ganz offen ansprechen: „Hi, können wir uns mal kurz angucken. Wer bist du denn?“ Also Kontakt aufnehmen und auch nachfragen: „Was habt ihr denn vor? Wo wollt ihr hin?“ Hier ist es so, dass wir in so gutem Kontakt mit den Kindern stehen, dass ich weiß, wo und mit wem sie unterwegs sind. Habe ich als Elternteil Bauchweh mit einer Situation, kann ich das dem Kind mitteilen und sagen, „Du, ich habe da so ein komisches Gefühl“. Auch hier sollte man wieder offen in den Austausch gehen, sich anhören, wie die Kinder etwas sehen, und gemeinsam eine Lösung finden. Das wird nicht immer gelingen, aber es wird häufiger gelingen, wenn man eine gute Verbindung zum Nachwuchs hat.

Mobil-e: Und eine letzte Bitte: Die Pubertät hat oft so einen schlechten Ruf, meist völlig zu Unrecht, wie man ja auch in Ihrem Buch lesen kann – machen Sie doch bitte einmal Werbung für diese wichtige Entwicklungsphase und erzählen Sie uns, warum die Pubertät Ihre Lieblingszeit ist.

Inke Hummel: Ich würde mir wirklich wünschen, dass man diese Zeit anders sieht. Ich erlebe es bei uns, aber auch bei Freunden, dass das eine wundervolle Zeit ist. Ich finde es schön zu sehen, was die Kinder aus den vorherigen Jahren so mitgenommen haben. Unser Großer zum Beispiel, der kann super sagen, „Mama, beruhig dich mal, lass uns da später nochmal ganz gelassen drüber reden“.

Mama, jetzt beruhig dich mal.

Er übernimmt dann in dem Moment den Part, der ich ja eigentlich sein sollte. Kann ich aber nicht immer. Ich finde es einfach toll, dass man diese Entwicklung sieht. Dann finde ich die Möglichkeiten, andere Gesprächsinhalte zu haben, total spannend. Ich war nie jemand, der gut Kaufmannsladen spielen konnte. Die Themen, die bei den Kindern jetzt aufkommen, die entsprechen einfach mehr meiner Natur. Ich liebe es, mit ihnen in Ausstellungen zu gehen, über Politik zu sprechen oder auch einfach mal ironisch rumzuflachsen. Dazu kommt, dass ich ja jetzt auch viel Raum für mich habe. Wenn ich sage, dass ich arbeiten muss oder ich mich hinlegen möchte, aber irgendjemand jetzt nochmal losmuss, um Milch zu kaufen, dann ist das kein Problem. In solchen Momenten funktioniert dann unser Familiengefüge und das ist total schön zu sehen und zu erleben.

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Familie 03/2020
Mediennutzung

Medienkonsum von Kindern: Darauf sollten Sie achten!

„Biiiiitte! Nur noch eine Folge …“ – Wenn die Kinder erst einmal vor dem Fernseher kleben, dann ist es gar nicht so leicht, sie wieder davon zu lösen. Und manchmal ist man ja auch ganz dankbar für diese paar Minuten Ruhe. So hat sich sicher ein Großteil der Eltern, nicht nur zu Coronazeiten, schon mal dabei ertappt, wie man dem Kind den Fernseher anmacht oder das Tablet in die Hand drückt, um mal eben schnell etwas zu erledigen. Und genauso kennen die meisten wohl auch das schlechte Gewissen, das damit einhergeht. Das besagt zumindest eine forsa-Umfrage zum Medienkonsum von Kindern, die von der BKK Mobil Oil in Auftrag gegeben wurde.

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